DIE KATHEDRALE DER EWIGKEIT
Teil II der Kathedral-Trilogie um die schönste Frau des Mittelalters.
Hermann zu Uta, S. 35, DIE KATHEDRALE DER EWIGKEIT
Uta an König Heinrich III, S. 145, DIE KATHEDRALE DER EWIGKEIT
In DIE HERRIN DER KATHEDRALE baute Uta eine Kathedrale, um der Mutter Gerechtigkeit zu verschaffen. Nun kämpft sie für die eigene Gerechtigkeit, nämlich den Mann lieben zu dürfen, dem ihr Herz gehört und der nicht ihr Angetrauter ist.
Ein scheinbar unmögliches Unterfangen im beginnenden Hochmittelalter, für dessen Durchsetzung sich der englische König Heinrich VIII. fünfhundert Jahre später von der römisch-katholischen Kirche lossagen wird. Für die Liebe setzt Uta nicht weniger als „ihre“ Kathedrale und damit das Wohl des jungen Naumburgs aufs Spiel.
Uta ist überglücklich, als sie die Zusage Kaiserin Giselas für die Unterstützung bei der Auflösung ihrer Ehe mit dem ungeliebten Ekkehard erhält. Das außergewöhnliche an Utas Anliegen ist, dass sie eine im kirchenrechtlichen Sinne unmögliche Scheidung – aus Liebe zu ihrem Schwager Hermann – wünscht. Mit der Einholung des Einverständnisses bei Ekkehard überschlagen sich die Ereignisse: zuerst ist Hermann spurlos verschwunden, dann wird eine unkenntliche Leiche, die Hermanns Kleidung trägt, auf den Burghof gebracht.
Die äußere Leichenschau der Brüder aus dem Georgskloster bestätigt, dass es sich bei dem Toten um Hermann von Naumburg handelt, der sich in selbstmörderischer Absicht zu Tode zerfleischen ließ. Mit dem Verscharren des geliebten Hermann auf dem Schandacker bricht Utas Welt zusammen.
Begleiten Sie Uta im Kampf um ihre Liebe zu Hermann. Lernen Sie, steinerne Wände zu lesen und lassen Sie sich vom Zauber aus Traubenkernen, Goldstaub und Rotocker in die Welt der romanischen Wandmalerei entführen. Sie erleben den gelungensten Machtwechsel in der Zeit der Ottonen- und Salierkaiser.
„Es war einmal ein kleines Mädchen, das hatte jedermann lieb, der es nur ansah.“
So lauten die ersten Worte des wohl bekanntesten Märchens aus der Sammlung der Kinder- und Hausmärchen von Jacob und Wilhelm Grimm: „Rotkäppchen“. Für die reduzierte Erzählform des Märchens ist Recherche kaum notwendig. Im Fall der Gebrüder Grimm haben sich Jacob und Wilhelm die Märchen von Beiträgern berichten lassen und Inhalte aus fremden Niederschriften für ihre Märchensammlung übernommen. Ganz anders ergeht es da historischen Romanautoren. Die Hälfte der Zeit, die wir an unserem Roman „Die Kathedrale der Ewigkeit“ arbeiteten, fiel für Recherchen an. Da „Rotkäppchen“ beinahe jedem vertraut ist, werden wir unseren Recherche-Ansatz zunächst an diesem Märchen herausarbeiten und ihn dann auf unseren Roman übertragen. „Die Kathedrale der Ewigkeit“ ist ein historischer Roman, in dem Uta von Naumburg, Markgräfin von Meißen, dafür kämpft, sich von ihrem Gatten Ekkehard zu trennen, um mit ihrem geliebten Hermann endlich zusammen sein zu dürfen. Uta wendet sich hoffnungsvoll an die Kaiserin in Speyer. Als diese ihre Unterstützung zusagt, überschlagen sich jedoch die Ereignisse: Hermann verschwindet spurlos und kurz darauf wird eine unkenntliche Leiche auf den Burghof gebracht, die seine Kleider trägt.
1. „Hier hast du einen Kuchen und eine Flasche Wein …“
Wäre die Geschichte vom Rotkäppchen also nicht bereits niedergeschrieben und angenommen, das arglose Mädchen, sollte unserer Feder entspringen, hätten wir zunächst einmal die Geschichte zeitlich und geographisch verortet, hätten den Landesherrn erkundet, dessen Politik, die Stimmung sowie Ess- und Jagdgewohnheiten. Letztendlich sind auch Krankheitsbilder der Zeit relevant, weil die Großmutter vermutlich nicht über Schmerzen geklagt haben wird, die durch Fettleibigkeit oder zu viel Schreibtischarbeit verursacht worden sind. Für „unser“ Rotkäppchen würden wir über Berichte der Zeit, Geschichtsbücher und Malereien der Epoche vor allem in das Leben der einfachen Menschen eintauchen.
Mit eben jener Grobrecherche über die politischen Umstände der Epoche, über die Lebensläufe der historischen Personen, die im Roman relevant sind, dem Geist der Zeit und über die jeweiligen Fachthemen, die wir im Buch verarbeiten, haben wir auch die Arbeit an „Die Kathedrale der Ewigkeit“ begonnen. Diese erste Recherche nennen wir nicht deshalb Grobrecherche, weil sie oberflächlich ausgeführt ist, sondern weil sie uns einen groben Überblick über das betrachtete Jahrhundert liefert und den Handlungskorridor unserer Figuren definiert. Für diese erste Recherche fahren wir an die Wirkungsstätten der historischen Personen (z. B. liegt das Kaiserpaar unseres Romanes in der Speyerer Domkrypta – auf dem Foto abgebildet – begraben), studieren vielfältige Literatur und besuchen Ausstellungen historischer Museen (die dazugehörigen Ausstellungskataloge sind ein wunderbarer Fundus für Roman-Requisiten: ein schönes Evangeliar zum Beispiel oder ein aufwendig besticktes bischöfliches Messgewand).Die Ergebnisse der Grobrecherche formen unsere Geschichte wesentlich und müssen deswegen vorliegen, bevor das erste Wort geschrieben wird. Für unsere „Kathedrale der Ewigkeit“ betraf die Grobrecherche die politischen Umstände der Jahre ab 1038, die Lebensläufe insbesondere des späteren Kaisers Heinrich III. und der böhmischen Herzogfamilie zu dieser Zeit.
Auch „Spezialthemen“, also ausgesuchte Fachthemen, die wir tiefer durchdringen, gab es zuhauf zu erkunden: Wandmalerei, Wissen über die Funktionen des menschlichen Körpers und Geisteskrankheiten. Zudem hat Uta den Wunsch, sich von ihrem Gatten Ekkehard zu trennen, um mit ihrem geliebten Hermann endlich zusammen sein zu dürfen. So einfach war eine Scheidung im elften Jahrhundert jedoch nicht (das war im Frühmittelalter noch unkomplizierter gewesen). Für eine Argumentation gegen die herrschende kirchliche Auffassung der Unauflöslichkeit der Ehe sind wir tief in römisches und frühmittelalterliches Recht eingedrungen und haben im Geiste mit unserem weisen Wipo diskutiert, wie Uta es im Roman tut. Unsere Rollenverteilung, wer Wipo und wer Uta war, änderte sich in jeder Diskussion.
Erst nachdem wir die Spezialthemen erörtert haben und die Grobrecherche abgeschlossen ist, geht es an das Schreiben des Romans. Währenddessen wird noch jede Menge Detailrecherche notwendig sein, die sowohl Fragen aus dem alltäglichen Leben und aber auch Sachverhalte zur Historie umfasst.
2. „Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Samt, und weil ihm das so gut stand und es nichts anderes mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen.“
Säßen wir nun wieder am Rotkäppchen, würden wir uns im Rahmen der Detailrecherche fragen, welche Art der Kopfbedeckung damals in Mode war, welche Farben verbreitet, welche Stoffe sich die Großmutter leisten konnte und ob die Farben überhaupt Rotkäppchens Stand angemessen waren. Gerade im Mittelalter demonstrierte die Farbigkeit von Gewändern die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaftsgruppe. Letztendlich verlangt die obere Aussage auch zu wissen, wie man eine solche Kappe trug: schief auf dem Kopf, vorne gebunden und wie tief eigentlich in die Stirn gezogen. Das mag trivial klingen, ist jedoch gerade für die Schleiermode im 11. Jahrhundert, in dem unsere „Kathedrale der Ewigkeit“ spielt, gar nicht so einfach zu beantworten. Wenn überhaupt liegen nur unscharfe Bildnisse auf Kirchenwänden oder in Handschriften vor (Foto rechts: eines des wenigen Bildnisse über die Schleiermode weltlicher, adliger Frauen im 11. Jahrhundert). Wussten sie, dass jede verheiratete Frau damals einen Schleier trug? Ein Schleier konnte ein- oder zweiteilig sein, gebunden, gesteckt, nur locker gelegt oder/und geklemmt. Insgesamt war die Kleidung im 11. Jahrhundert noch vergleichsweise schlicht und wenig körperbetont.
3. „Als nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf.“
Ein weiterer Recherchepunkt für das Rotkäppchen beträfe eine Untersuchung, ob es zur damaligen Zeiten tatsächlich Wölfe in der Gegend des Mädchens gab und wie wohl die Wälder „bestückt“ waren. Die Waldstruktur hat sich über die Jahrhunderte hinweg erheblich verändert, große Rodungen bis ins 14. Jahrhundert hinein rissen Waldgebiete auseinander, die Anteile von Nadel- und Laubgehölzen änderten sich. Der zweite elementare Recherche-Punkt würde bei den Wölfen selbst ansetzen. Wie reagieren Wölfe auf Menschen, auf bestimmte Gerüche, Reize und Verhaltensweisen? Wir sind noch niemals Wölfen in der freien Wildbahn begegnet, also müssten auch dafür Fachbücher und idealerweise Experten-Gespräche her.
In „Die Kathedrale der Ewigkeit“ haben wir es mit Wolfsüberfällen zu tun und einige Szenen spielen im Wald, zum Beispiel bei den „zwei verschlungenen Buchen“. Um uns in diese Szenen hinein zu denken, waren einige Waldspaziergänge, tagsüber, aber auch in der Nacht notwendig. Schließlich wollen wir Sie unsere Geschichte in ihrem Kopf mit allen Sinnen erleben lassen. Dafür mussten wir herausfinden, wie unterschiedlich ein Wald wohl in den einzelnen Jahreszeiten riecht und klingt. Eine meditative Erfahrung.
4. „Rotkäppchen wunderte sich am Haus der Großmutter, dass die Türe of-fen stand, und wie es in die Stube trat, kam es ihm so seltsam darin vor.“
Im Falle des Hauses der Großmutter würden wir die Innenausstattung und Architektur von Wohnhäusern untersuchen. Der Darstellung eines Details, das Ihnen als Leser vielleicht kaum auffällt, weil es eher beiläufig erzählt wird, kann erheblicher Rechercheaufwand vorausgegangen sein. Viele der recherchierten Informationen tauchen im Roman nicht auf – sie helfen uns jedoch, ein Gefühl für die Zeit zu bekommen. Für die Szene, in der Rotkäppchen verwundert in die Stube tritt, würden wir ausfindig machen, aus welchen eventuell geruchsintensiven Materialen Boden und Wände beschaffen waren, um zum Beispiel den Klang ihrer Schritte im Takt des Wolfsschnarchens zu beschreiben. Vielleicht vermochte Rotkäppchen vom Eingangsbereich aus schon den faulen Atem des Wolfes zu riechen oder überlagerten brennende Kaminscheite oder bestimmte Wandfüllungen seine Geruchsspuren?
Für „Die Kathedrale der Ewigkeit“ war es eine einzigartige Erfahrung, im Rahmen der Architektur-Recherche in die Wandmalerei einzutauchen. Wussten Sie, dass romanische Kirchen die am buntesten ausgemalten Kirchen des Mittelalters waren? Und nun stellen sie sich vor, was es für ein Wunder für den einfachen Menschen damals – dessen Alltagsfarben von Gebäuden, Ausstattung und Kleidung überwiegend aus Grautönen bestanden – gewesen sein musste, ein leuchtend bunt ausgemaltes Gotteshaus zu betreten. Der überwiegende Anteil der Bevölkerung im 11. Jahrhundert konnte nicht lesen und die großflächigen Bilder erlaubten ihm endlich, Begebenheiten des alten und neuen Testaments mit eigenen Augen zu erfahren. In ganz Europa sind wir auf Spurensuche nach Wandmalereien aus Utas Zeit gegangen und berauscht von dieser Welt aus Traubenkernen, Rötel und Sonnenpfirsichgelb und mit einer Vorstellung über ein Malprogramm für die Naumburger Kathedrale zurückgekehrt. Was die Farben und Techniken betraf, haben wir selbst auch zum Pinsel gegriffen und immer wieder auch Experten-Gespräche geführt
5. „Der Jäger schoss nicht. Er nahm eine Schere und fing an, dem schlafen-den Wolf den Bauch aufzuschneiden.“
So heißt es kurz vor dem Ende des Märchens und für die Rotkäppchen-Geschichte hätten wir bereits im Rahmen der Grobrecherche herausgefunden, was die gängigen Instrumente, Schnitt- und Betäubungstechniken der Zeit waren. Irgendeine Form von Schmerzmittel hätte der Wolf sicherlich benötigt, damit er nicht mitten in der Operation aus dem Bett springt. Klar, Romane – anders als Märchen – überzeugen nur dann, wenn sie glaubwürdig sind.
Apropos Medizin. Wussten sie, dass der mittelalterliche, medizinkundige Mensch im 11. Jahrhundert überzeugt war, dass das Gehirn vor allem dazu dient, das heiße Blut aus dem Herzen zu kühlen? Die Medizin des Mittelalters war überwiegend eine Kräuter-Medizin, die in Klöstern praktiziert wurde. Nur allmählich wurde antikes chirurgisches Wissen wiederentdeckt. Uns drängte sich die Frage auf, welches Verständnis eine weitgereiste Klosterschwester im 11. Jahrhundert aufweisen konnte. Die Antwort darauf war maßgeblich für die Ausgestaltung von Utas Freundin Alwine, eine Benediktinerschwester, für die es gilt, an einer unkenntlichen Leiche Identität und Todesursache zu ermitteln. Hier haben uns neben der Literaturrecherche insb. Fachgespräche geholfen, in denen wir anschaulich erläutert bekamen, was der Anblick einer Leiche in einem Menschen bewirken kann, was wir dann unserer Uta an Gefühlen, an Gerüchen und sogar Geschmack mitgaben.
Grundlegend für die Verbindung der Rechercheergebnisse mit einer spannenden Handlung ist der Geist der Zeit, und der ist gerade für das 11. Jahrhundert kaum ausreichend zu recherchieren, weil es schlichtweg keine Überlieferungen dazu gibt. Obwohl wir inzwischen wissen, wie die Frau im 11. Jahrhundert den Schleier band, werden uns ihre Gedanken, die immer ein Ergebnis ihrer Zeit, der gesellschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen sind, nie klar vorliegen, weil sie nicht aufgeschrieben wurden. Wie eine verliebte Markgräfin im 11. Jahrhundert dachte, wie sich eine Mutter fühlte, die ihr Kind aufgrund ihrer „Stellung“ weggeben musste oder wie ein junger König sich wohl von den weitgerühmten Eltern loszusagen vermochte – das ist die Herausforderung für jeden Autor von Mittelalter-Romanen. Dabei gilt es eine möglichst authentische Antwort aus Fantasie und Fakten herzuleiten.
6. Intensive Zeit
Die Recherche ist für uns eine sehr intensive Zeit, verbunden mit ungeheuren Eindrücken und erstaunlichen Erkenntnissen, aber auch mit einigem Schmunzeln und Aha-Effekten. Hätten wir tatsächlich eine Rotkäppchen-Geschichte geschrieben, wäre am Ende wahrscheinlich eine JägerIN zur Rettung geeilt, die dem Wolf den Bauch nach antikem Vorbild aufgeschnitten und neugierig noch die inneren Organe beschaut hätte – wie unsere Benediktinerschwester Alwine. Und auf jeden Fall wäre das Mädchen mit der roten Kappe auch eine Persönlichkeit geworden, die mit dem Mut unserer Uta von Naumburg für die Erfüllung ihrer Träume über die Grenzen ihrer Zeit hinausgehen würde. Vielleicht, in dem sie alle Großmütter des Waldes in einer Wohngemeinschaft und zum gegenseitigen Schutz in einem Mehrfamilienhaus untergebracht hätte.
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