Wie alles begann …
… mit uns und mit dem Schreiben.
Das Ende des Jahres 1978 ist Ihnen, liebe LeserInnen, bestimmt noch als Eiswinter in Erinnerung. Im wohl härtesten Winter seit der Nachkriegszeit durften wir uns allerdings noch in eine warme Wiege in unserer Heimatstadt Staßfurt kuscheln und haben Schneeräumaktionen und Eisstürme großzügig verschlafen. In den weiteren Jahren besuchten wir, Nadja und Claudia Beinert, dieselbe Krippe, dieselbe Schule und saßen auch in denselben Vorlesungen.
Bei diesem Werdegang fragen Sie sich nun vielleicht, ob wir die Art von Zwillingen sind, die keinen Atemzug ohne den anderen tun? Da müssen wir Sie enttäuschen. Unser Geschmack entwickelte sich im Alter von dreizehn Jahren auseinander und unsere Unterschiede sind auf anderen Gebieten genauso vertreten, zum Beispiel zu Tisch: Nadja mag keine Klöße, ich kann mich kein bisschen für Spinat erwärmen.
Nach dem Studium trennten sich unsere beruflichen Wege. Nadja engagierte sich beim Dreh von Filmen. Ich (Claudia) folgte meinem Interesse für die Ökonomie, arbeitete als Unternehmensberaterin und unterrichtete Wirtschaft. Nebenbei lasen wir weiterhin historische Romane. In vergangene Welten einzutauchen und mit außergewöhnlichen Frauenfiguren zu lieben und zu kämpfen, macht einfach Spaß! Dann begegnete ich im Naumburger Dom der geheimnisvollen Uta von Ballenstedt – nicht als Reinkarnation, sondern als Stifterstandbild – und meine Vision war geboren: ich wollte Uta, über die so wenig überliefert ist und die weltweit für ihre Schönheit bekannt ist, einen Lebensweg geben. Und Nadja hatte ich schnell infiziert. Meine kleine (immerhin zehn Minuten jüngere) Schwester ins Boot zu holen… darin hatte ich jahrelang Erfahrung gesammelt. Uta vom Ballenstedt hat unsere Wege somit wieder zusammengeführt.
Erschienene, geschriebene Zeichen
Erschienene, geschriebene Seiten
Getrunkene Tassen Kaffee während der Schreibzeit bis zum 31.12.2018
Wunderbare Lesungen soweit
Autorinnen mit Leidenschaft für Geschichte
… lasen wir beide im Alter von sechzehn Jahren. Seitdem sind wir dem Genre leidenschaftlich verbunden. Grundsätzlich greifen wir vorhandene historische Fakten, Ereignisse und Persönlichkeiten auf. Wir wollen spannende, auch lehrreiche Geschichte(n) erzählen und das soziale, gesellschaftliche und politische Umfeld vergangener Zeiten zum Leben erwecken. Starke Frauenfiguren faszinieren uns – und davon hat die Vergangenheit eine Vielzahl vorzuweisen.
Wir sehen uns zum Verwechseln ähnlich – sagen die Einen. Andere wiederum wollen kaum glauben, dass wir Schwestern sind. Auch Ähnlichkeit liegt demnach im Auge des Betrachters. Wir sind eineiige Zwillinge und wuchsen gemeinsam auf, gingen in dieselbe Schulklasse und tauschten einmal sogar unsere Freunde. Wir saßen in denselben Hörsälen und wohnten lange in derselben Stadt. Häufig denken wir das Gleiche, manchmal antworten wir sogar im Chor. Dann wieder können wir mit allen Sinnen streiten. Wir sind überzeugt, dass unser Schreiben ohne die Andere nicht einmal halb so gut wäre. Unsere Zusammenarbeit können Sie sich vorstellen, wie die Zubereitung eines Hauptganges mit zwei Köchen.
1. Die Auswahl des Gerichts und der Zutaten
Zuerst entwickelt Claudia eine Idee und schreibt nach einer Grobrecherche den Rohentwurf der Geschichte nieder. Zum Rohentwurf unserer Romane gehören Gedanken über das Hauptmotiv und die Entwicklung von Pro- und Antagonist, über den politischen Hintergrund, die Schauplätze und das Fachthema, das wir behandeln wollen. In „Die Herrin der Kathedrale“, unserem ersten Roman, haben wir vom Rechtswesen im beginnenden Hochmittelalter erzählt.
Der Rohentwurf ist vergleichbar mit der Frage, was wir überhaupt kochen wollen (Fisch, Fleisch oder ein knackiges Gemüsegericht?), damit es unseren Gästen und uns schmeckt und welche Zutaten wir dafür benötigen werden. Weil wir beide Frankreich sehr mögen, schlägt Claudia ein klassisches französisches Hähnchengericht Coq au Vin („Hahn in Wein“) und die nach ihrem Geschmack benötigten Ingredienzien vor.
Weil wir beide Frankreich sehr mögen, ist Claudia für Coq au Vin („Hahn in Wein“). Aus der Fülle an Möglichkeiten, dieses klassische, französische Hähnchengericht zuzubereiten, schlägt sie die nach ihrem Geschmack gelungenste Zusammenstellung an Ingredienzien vor.
Die Auswahl der Zutaten ist vergleichbar mit den Überlegungen im Rohentwurf, welche Figuren aus welchen Motiven handeln, welche historischen Fakten die Handlung begleiten, wer Freund und wer Feind ist und wie die Entwicklung der Charaktere verläuft. Für unseren Coq au Vin landen damit auf dem Einkaufszettel: ein ganzer Hahn (nicht in Teilen), Pilze, Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln, Schinkenspeck, Suppengemüse und etwas Mehl. Weiterhin Wein und Cognac für die Marinade sowie Thymian und Lorbeer zum Würzen.
2. Rotwein oder erfrischender Rosé?
Stehen Rohentwurf und Zutatenliste, optimiert Nadja insbesondere unter dramaturgischen Gesichtspunkten. Dabei stellt sie sich Fragen wie: Ist die Handlung spannend? Ist es für unsere Heldin also immer mal wieder aussichtslos genug?
Nadja wartet mit einigen Maßnahmen zur Verbesserung der Zutatenliste auf. Für einen herzhafteren Geschmack mehr vom Thymian, sagt sie. Und Knoblauch. Auf jeden Fall soll Rotwein dazu, kein Rosé – obwohl der südfranzösische Tavel für Geflügelgerichte gerade angesagt ist. Der Rote, ruhig als einfacher Landwein aus dem Burgund, passt perfekt zu der Art von Geschmack, die wir für spannend halten. Am Ende steht dann ein optimiertes Konzept – eine verfeinerte Zutatenliste für unseren Hauptgang also.
3. Geduld mit der Marinade
Bis zur Niederschrift des ersten Satzes dauert es aber noch etwas. Wie beim Kochen sind für uns auch beim Schreiben die Vorbereitungen essenziell: Je besser die Planung, desto flüssiger dann die Arbeit am Text. Deswegen erstellen wir auf Basis des optimierten Rohkonzeptes dann einen detaillierten Szenenplan. Dies ist der einzige Schritt, den wir zeitgleich und gemeinsam am großen Esstisch in Erfurt ausfechten (im wahrsten Sinne des Wortes geht es teilweise kämpferisch zu!). Gerne spielen wir uns auch bestimmte Szenen vor, um der Anderen zu zeigen, wie sie funktionieren könnten. Da enden Uta von Ballenstedt (Claudia) und Hazecha von Ballenstedt (Nadja) vor dem Grab der Mutter auch schon mal prustend vor Lachen, nachdem sie anstatt auf eine Grabplatte, auf eine Vase mit Trockenblumen in der Wohnzimmerecke schauen müssen.
Das Ergebnis unserer dramaturgischen Woche, wie wir sie nennen, ist eine detaillierte Szenenplanung. Damit kennen wir das Programm der Zubereitung für unseren Coq au Vin auf die Minute genau. Beim nachfolgenden Kochen (resp. Schreiben) brauchen wir uns dann nur noch auf die Vorgänge im Topf konzentrieren (der Arbeit am Wort). Zu diesem Zeitpunkt wurde unser Weinhahn bereits kurz angebraten und dann eineinhalb Tage mit Rotwein, Suppengemüse, Knoblauch und Kräutern mariniert. Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln, Schinkenspeck und Pilze sind nun ebenfalls geschnitten; Cognac und Butterschmalz abgemessen.
4. Mit Cognac flambieren
Dann schreiben wir. Für die meisten Szenen macht Claudia den ersten Entwurf und recherchiert Details. In der Küche nimmt Claudia also den Hahn aus der Marinade und brät ihn in einer Pfanne an. Für den Schuss zusätzlicher Würze wird das Tier mit Cognac flambiert.
Zeitgleich werden Pilze, Schinkenspeck und Zwiebeln separat angebraten und dann, wie die Cognac-Bratensoße und die Weinmarinade, erst einmal beiseite gestellt. Mit Butterschmalz und etwas Mehl schwitzt Claudia in einem weiteren Topf Tomaten und Kartoffeln an und gibt kurz darauf den Hahn hinzu. Schließlich übergießt sie alles mit der Bratensoße und der gefilterten Weinmarinade. Hat sich die Flüssigkeit bis auf die Hälfte reduziert, kommt das Ganze bei maximal 175 Grad in den Ofen.
An diesem Punkt kommt Nadja wieder ins Spiel. Sie überarbeitet und fügt Neues hinzu, prüft demnach, ob sich Bratensaft, Marinade, Gemüse und Geflügel schmackhaft verbinden und ob das Fleisch nicht austrocknet.
Damit das Schreiben effizient abläuft, telefonieren wir beinahe täglich; tauschen Dokumente und Recherchetexte über eine Internet-Cloud aus, die der jeweils Anderen helfen, die Szene zu hinterfragen und sie weiterzuentwickeln. Ein Archiv von Grundrissen und Bildern unterstützt uns, bei der Beschreibung von Personen und Schauplätzen in den Kopf der Anderen zu schauen und nicht in eine unterschiedliche Richtung weiter zu schreiben.
5. Heiß servieren
Den letzten Schliff bekommt der Text von Claudia – die zweite Schmorphase kurz vor dem Servieren, in welcher die bereits angebratenen Pilze, die Zwiebeln und der Schinkenspeck zum Hahn hinzukommen und die letzte Würze erfolgt. Selten mehr als etwas Pfeffer.
Et Voilà. Wir dürfen Sie auf eine Mahlzeit einladen, die mit Lachen, mit einigen Kämpfen, etwas Schauspielerei und viel Leidenschaft für die Sache zubereitet wurde. Ob mehrere Köche den Brei verderben, lassen wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, entscheiden.
Und nun: Guten Appetit!